der_grazer
 

Frühlingserwachen

startgerät an die batterie angeschlossen, den zündschlüssel umgedreht und der weihnachtsbeleuchtung auf dem instrumentenbrett fasziniert zugesehen, danach den startknopf gedrückt und dem kommenden gelauscht...


ja, das nenn' ich nun mal frühlingserwachen, vor allem, wenn nach drei monaten standzeit durch den druck auf den startknopf sich der sechszylinder erstmals wieder mit einem sanften schütteln zum leben erwecken läßt. und nach dem schütteln zwei, drei mal kurz gehustet und gespuckt und dann sanft hoch geschnurrt. welch ein wonnegefühl breitet sich da in meinem herzen aus, wenn der sechser wieder schnurrt, ganz sanfte und kaum spürbare vibrationen den stahlrahmen durchlaufen, der choke soweit geschlossen, daß der drehzahlmesser sich bei 1000 bis 1500 touren einpendelt und das sonoren schnurren und dezente fauchen die umgebung erfüllt.


klar, die ganzen kleingärtner und hobbylandschaftsarchitekten schwelgen in seelig-eromanen träumen beim anblick des erten grashalm, der vor zwei wochen schon sich in vorsichtiges grün gekleidet hat, aber was ist das schon gegen das fauchen und willige schnurren eines sechszylinders? hat schon irgendwann jemand mal einen grashalm fauchen gehört?


wurscht, mag jeder nach seiner fasson glücklich werden, ich bin mehr der benzinbruder als der zwergkarnickelfan, der täglich die grashalme zählt und bürstet...


aber kommen wir zurück zum wesentlichen, denn einfach nur den sechser anwerfen, damit ist das frühlingserwachen noch nicht grad weit gediehen, das ist, als würde man... ach, lassen wir das, das könnte sich jetzt von "jugendfrei" etwas entfernen... jedenfalls, anwerfen alleine, nein, da gehört einfach mehr dazu! also aufsitzen, gang rein und los, los, die landschaft in sich hinein saugen, die umwelt aktiv spüren! das nenn' ich frühlingserwachen! wenn die luft erstmals wieder am helm zerrt und ihn zum pfeifen und surren bringt, du nicht mehr weißt, ob der wind oder die freude an den tränen schuld ist, ja, dann ist der frühling da, dann wird aus einem winterdepp-ressiven ein wahrer mensch, ein biker! klar, die hardcore-freaks fahren den winter durch (bin ich früher auch!), aber irgendwann ist es so weit, daß man sich selbst eingestehen muß, daß es einfach nicht mehr so ist wie früher, die knochen werden älter, der wind fährt einem nimmer nur in die klamotten, sondern auch ins gedärm, und mit hilfe diverser vernünftiger argumente wie die gefahr durch eis und schnee für das doch nicht grad altägliche und vor allem nicht geschenkte bike gibt man sich selbst einen grund, warum man eine winterpause macht. ja, früher, als die knochen, der geist und vor allem der verstand noch jung und unverbraucht waren, da war der winter nur eine fahrtechnikumstellung, doch mittlerweilen... man wird eben nicht jünger, man hat familie (oder auch zwei oder drei familien...) und man ist nicht nur sich selbst was schuldig...


doch dann kommt der tag, wo man das kennzeichen wieder montiert, zum ersten mal in der saison den startknopf drückt und man das erste mal das schütteln vor den ersten einer reihe von freudigen zündungen genießt. und dann ist es mehr oder weniger amtlich: frühlingserwachen! die welt hat dich wieder!